Von Pfarrer Helmuth Kalläne und Johanna Klasterer, 1971

Eine Versorgung der verstreut lebenden Evangelischen mit Unterricht und Gottesdienst war nicht immer leicht. Welcher Gemeindepfarrer sollte diese mühsamen Aufgaben übernehmen? Bis 1905 waren es die Bötzinger Pfarrer. 1906 erhielt die einzige evangelische Schülerin der Diaspora, Emma Pfeiffer, aus Buchheim „jeden Freitag in Bötzingen von dem dortigen Pfarrer Religionsunterricht. Die zwei Kinder in Hochdorf erhalten keinen Religionsunterricht.“ Nach 1906 stehen uns einige Schreiben zur Verfügung, aus denen hervorgeht, daß Stadtvikar Lang von der Lutherkirche Freiburg beauftragt wurde, sich unserer Diaspora anzunehmen. In dem abgedruckten Schreiben von 1908 wird Umkirch und Neuershausen zwar noch nicht genannt, doch kommen sie bald dazu. Aus der Bötzinger Zeit haben wir keine Gemeindeberichte. Was im Folgenden berichtet wird, stammt aus alten Schriftstücken, Kirchenbüchern und dem Gemeindeblatt der evangelischen Gemeinde Freiburg 1918 – 1941. Aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg haben wir nur einige Briefe.

Der kirchliche Mittelpunkt jener Zeit ist Hugstetten und Buchheim. Als Stadtvikar Lang 1906 den Dienst in der Diaspora mitversieht, leben in Buchheim zwei evangelische Frauen, die mit katholischen Männern verheiratet sind und ein 13jähriges evangelisches Mädchen als Pflegekind. In Hugstetten leben bereits 32 evangelische Personen. So wird, dem Wunsch der Diaspora Rechnung tragend, im Spätjahr 1923 mit der Errichtung regelmäßiger Gottesdienste (14täglich) begonnen. (Bis dahin mußte man meist zu Fuß, nach Freiburg oder Bötzingen zum sonntäglichen Gottesdienst gehen.) „Die politische Gemeinde Hugstetten stellte uns hierfür bereitwillig einen Schulraum zur Verfügung und übernahm auch die Kosten für Heizung und Beleuchtung des Raumes während der Wintermonate. Haben wir im Verlaufe des Winters unsere Gottesdienste Montag abends im Anschluß an den Religionsunterricht gehalten, wollen wir es während des Sommers am Sonntagmorgen um 71/2 Uhr tun. Es ist eine dankbare Gemeinde, die sich aus Hugstetten, Buchheim, Hochdorf und Neuershausen in unseren Gottesdiensten zusammenfindet,“ so schreibt Stadtvikar Preß von der Freiburger Lutherpfarrei 1924.

Zum ersten Mal hat die Diaspora in Hugstetten selbständige Konfirmation am 22. März 1925 durch Stadtvikar Nutzinger: „Unsere erste Konfirmation war eine Weihestunde von einzigartiger, schöner Feierlichkeit. Alles trug dazu bei, sie so reich und erhebend zu gestalten: Die teilnehmende Festfreude aller Gemeindeglieder, der Andachtsraum, der nicht mehr an einen Schulsaal erinnerte, und vor allem der tiefe Ernst in den Herzen und Augen unserer Konfirmanden selbst. Es waren zwei Mädchen: Margarete Dettmer, die Tochter aus dem Haus und Diasporaheim Dettmer, und Marie Fleig, das Kind des Bahnwarts Fleig, das s. Z. vom Vater des Konfirmators in Gutach getauft worden war. Wir folgten einem ganz alten Brauch aus der christlichen ‚Kirche des 4. Jahrhunderts, wenn wir uns, wie damals die Katechumenen‘, in den Abendstunden vor dem großen Feiertage zur letzten Bereitung, Prüfung und Sammlung einfanden. Die beiden Konfirmanden haben mutig ihre Bekenntnisse, die Kleinen stolz ihre Kenntnisse, der Gemeinde mitgeteilt. Zur Prüfung, aber auch zur ernsten Selbstprüfung hat uns dieser Samstagabend gemahnt.
Und so nur konnte auch die Einsegnungsfeier am Sonntagmorgen von einer reinen, dankbaren Freude getragen sein. Sie ist unseren Konfirmandinnen zu einem tiefen Erlebnis und allen anderen zu einer unvergeßlichen Stunde geworden. Ein freundliches ‚Behüt euch Gott‘ haben den Scheidenden die Mitschüler zugerufen; der Dreiklang: Wandelt, wartet, wachet! soll ihnen im Blick auf das Konfirmationsbild von den klugen Jungfrauen Lebenslosung sein! Und der Helferkreis der Lutherkirche sang ihnen das Weihelied: ‚So nimm denn meine Hände.‘ Wir befehlen unsere beiden Mädchen dieser höheren Führung und schließen sie gleichzeitig in den Kreis unserer Gemeinde und Kirche ein.“

Laut Kirchenbucheinträgen war die erste Beerdigung Evangelischer in Hochdorf 1906: Anna Kern; in Hugstetten 1910: Hilda Buhrer; in Buchheim 1925: Friederike Wernet; in Neuershausen 1949: Marie Luise Marschall von Bieberstein. Von Umkirch sind keine Aufzeichnungen im Kirchenbuch, da Umkirch längere Zeit von den vier Marchdörfern getrennt war.

Ein gutes Zeugnis evangelischen Glaubens schildert Vikar Nutzinger anläßlich der ersten Beerdigung in Buchheim: „Die gute, fromme Frau Wernet ist von uns gegangen. Mit dem starken Glauben und der inneren Bereitschaft, die wir alle an ihr gekannt haben, hat sie ihr schweres Leiden getragen und sich der Operation unterzogen. Sie sollte nicht mehr lebend in ihr Häuschen am Dorfeingang von Buchheim zurückkehren, das nun der treu um sie besorgte Neffe bewohnt. In der Morgenstunde des 8. Oktober gaben wir ihr mit vielen Freunden aus Buchheim das letzte Geleit.“

Das Weihnachtsfest 1925 wurde in ganz besonderer Weise gefeiert: Das Weihnachtsevangelium, dargestellt von unseren großen und kleinen Kindern, übersetzt in die alten trauten Klänge unserer Lieder und in die wunderbaren Chöre des Quartetts! . . .“ „1925 war für uns ein reiches Jahr, das haben wir uns zu Silvester sagen dürfen, ein frohes Geben und dankbares Nehmen bei allen.“

„Auch der Karfreitag 1926 hat seine besondere Weihe, wenn wir ihn in der Stille und im Kreise unserer Gemeinde halten können, und wars auch erst in der Abendstunde. Es fehlte niemand von den Getreuen unserer fünf Ortschaften bei dieser Abendfeier, die uns das Quartett des Lutherkirchchores durch Passionschoräle so würdig bereicherten.“

Stadtvikar Richard Nutzinger achtete sehr auf die besondere Gestaltung der Gottesdienste. Oberhaupt könnte man drei Merkmale der Gemeindetätigkeit aus den damaligen Berichten herauslesen. 1. Gottesdienst (Festgottesdienst mit besonders schöner Gestaltung), 2. Unterricht und 3. Persönliche Anliegen einzelner Evangelischer wurden allen bekanntgemacht, damit man an der Freude wie am Leid des anderen teilnehmen konnte und sollte.

Im November 1925 heißt es: „Unserer lieben Frau Läufer wünschen wir von Herzen gute Genesung“ und im April 1926 „Unsere vier Schulbuben haben ein Schwesterlein bekommen, das Rosemariele Dettmer.“ Mai 1927 „Unsere Gemeinde hat noch Zukunft. Wieder dürfen wir zwei Erstklässler in die Schülerzahl einreihen: Anna Munz und Hans Schondelmaier.“ „Und daß im Schloßpark zu Umkirch eine junge Menschenblüte zum Licht ersproßte, darüber freuen wir uns mit dem Gärtnersehepaar Bühner.“ September 1927: „Wir bedauern den Radunfall des Herrn Bühner aus Umkirch, dürfen aber froh sein, daß es noch so glimpflich abging, daß er nun wieder zu Hause sein und bald auch wieder seiner lieben Beschäftigung im Schloßgarten nachkommen kann.“ Im Februar 1928 „Mit Freude hören wir, daß sich unsere drei Patienten, Frau Lauffer, Herr Winkler und Herr Munz auf dem Weg zur Besserung befinden. Allen dreien baldige Genesung!“ Bei der ersten Konfirmation von 1925 blieb es vorerst. Nachfolgende Konfirmanden, meistens nur einer eines Jahrgangs, nahmen am Unterricht in der Lutherkirche teil. Eugen Munz 1928: „Unsere besten Wünsche geleiten ihn in sein ferneres Leben und in seinen Malerberuf; seinen Eltern unseren Glückwunsch, und dem Vater Munz, der leider noch nicht mit zur Feier gehen konnte, baldige und ganze Wiederherstellung! Auch bei Frau Lauffer, Frau Ritte und Frau Tritsch haben sich die hartnäckigen Leiden nur wenig gebessert. Möge ihnen die Sonne des Frühjahrs Genesung bringen, das ist unser aller Wunsch. Am Blinddarm plötzlich erkrankt und nach glücklicher Operation wieder fast genesen, ist unser Herr Bühner aus Umkirch.“ Die kirchentreue Familie Munz wird nach Malsch bei Karlsruhe versetzt und mit guten Wünschen und Gottes Segen verabschiedet. Am 14. November 1928 konnte das Ehepaar Julius Gockel aus Buchheim das „schöne Fest seiner goldenen Hochzeit feiern“.

Der Religionsunterricht mußte 1928 durch eine Scharlachepidemie unterbrochen werden. Die wenigen evangelischen Kinder wurden in den Häusern oder im Bürgersaal Hugstetten unterrichtet. 1928 geht von hier wieder ein Konfirmand zum Unterricht in die Lutherkirche: Hans Seiler.

Die Gottesdienstzeiten wurden durch Mehrheitsbeschluß der Gemeindeglieder festgelegt. An den Festgottesdiensten wirkten immer der Chor der Lutherkirche oder die hiesigen Kinder durch Verkündigungsspiele mit.

Natürlich wird auch über Schwierigkeiten geklagt: daß der Schulraum für die Gottesdienste sehr „werktäglich“ aussehe und durch Licht, Heizung und Harmonium, „verschiedene Probleme“ aufgeworfen werden. Doch die „Probleme“ wurden überragt durch Freude: „Unsere Weihnachtsfeier (1926) war wieder in ihrer Schlichtheit schön und in ihrer Schönheit schlicht. Unsichtbare Engelhände hatten unseren kalten Schulsaal in einen weihevollen Raum mit Christbaum und Krippe umgewandelt. Und das Christkind selbst hat uns alle reichlich beschenkt, die Kleinen mit Gaben, die Großen mit einem Kanzelpult, einem Kirchenchor und mit neuer Freude. Im Gefühl solcher Freude aneinander und der Dankbarkeit gegen Gott gehen wir getrost ins neue Jahr.“ Im Januar 1928 bedankt sich Stadtvikar Nutzinger für „die vielen hilfsbereiten Hände, die den Raum für den Weihnachtsgottesdienst so festlich geschmückt haben, dem Kantatequartett für seine schönen Lieder und dem Organisten, Herrn Albert Schondelmaier, der nun schon im hohen Norden arbeitet, für seinen jahrelangen treuen Dienst.“

Gottesdienste werden über den Winter alle drei Wochen am Montagabend um 1/2 8 Uhr gehalten. Ab Ostern wird wieder mit dem Sonntagmorgengottesdienst um 8 Uhr begonnen.

Im März 1929 verabschiedet sich der Stadtvikar der Lutherkirche von unserer Diaspora mit den Worten: „Herrn und Frau Bühner zum Töchterlein Heil und Freude! Der Frau Lauffer, die wieder in die Klinik gehen mußte, baldige Genesung und Heimkehr! Unserem Konfirmanden Hans Seiler alles Gute in Beruf und Leben! Und der ganzen Diasporagemeinde wünscht weiterhin treues Zusammenhalten der scheidende Seelsorger!“ Richard Nutzinger. Wir dürfen wohl heute sagen, daß dieser Vikar ein großes Stück Pionierarbeit geleistet hat im Aufbau unserer evangelischen Gemeinde.

Sein Nachfolger, Stadtvikar Gerhard Kühlewein (jetzt Oberkirchenrat), setzte diese begonnene Arbeit zielstrebig fort. Im September 1929 schreibt er u. a.: „Auch unserer Diasporagemeinde Hugstetten gilt mein herzlichster Gruß. Unsere Liebe gilt der Diaspora vor allen Dingen, weil wir die Nöte und das Schicksal der Diaspora kennen. Daß sich aber unsere kleine Schar immer mehr der inneren Kraft bewußt wird, die in unserem evangelischen Glauben liegt und damit im Evangelium, und daß sie nie den Zusammenhang mit der ganzen evangelischen Kirche und großen Gemeinde der Evangelischen verliert, das ist im Blick auf die Diaspora Hugstetten unser innigster Wunsch und große Bitte.“ Erste Aktion: Nach allerhand Schwierigkeiten hat es sich jetzt ermöglichen lassen, daß der Gottesdienst zu einer günstigeren Zeit auf den Sonntag vormittag um 9.00 Uhr gelegt werden kann. Ein Gottesdienstplan für je ein Vierteljahr wird in die Häuser verschickt, so daß jeder sich die entsprechenden Sonntage, an denen Gottesdienst ist, gut merken kann.

Im November 1929 wird der Gemeinde mitgeteilt: „Ein verspäteter Gruß herzlichen Gedenkens und Mitfühlens geht heute in ein schwergeprüftes Haus unserer kleinen evangelischen Gemeinde. Zwei Todesfälle, in der gleichen Familie in derselben Woche, das ist eine schwere Schickung von Gott, die wir nur im Glauben und festen Vertrauen zu unserem Herrn Jesus Christus tragen können. Diese Glaubenskraft wünschen wir unserer Familie Dettmer.“

Das Jahr 1929 schließt ab mit einer Weihnachtsfeier am 22. Dezember um 1/2 5 Uhr. „Mit Freude dürfen wir auf unsere Weihnachtsfeier zurückschauen. Sie war einfach, wie sich das für unsere Zeit gebührt, aber herzlich und alle Glieder unserer Gemeinde in ihrem Diasporabewußtsein stärkend. Die Schulkinder dienten der Feier mit einigen Gesprächen über den Sinn des Weihnachtsbaumes, und Herr Schondelmaier stellte sich uns mit einigen Musikvorträgen auf dem Harmonium zur Verfügung. Eine Weihnachtsansprache und unsere alten Weihnachtslieder vervollständigten unseren Weihnachtsabend. Wir beschließen dieses Jahr mit Dank gegen Gott, der unsere kleine Gemeinde bis hierher geführt hat und der auch im neuen Jahr ihre Stärke sein möge.“

Im Februar 1930 werden zwei Jubilare beglückwünscht: „Mitte dieses Monats feiert Herr Winkler seinen 80. Geburtstag. Dem treuen Glied unserer Gemeinde, dessen Platz im Gottesdienst nie leer ist, möchte Gott auch im hohen Alter immer näher kommen! Einen Monat vorher hat Herr Schondelmaier ein halbes Jahrhundert zurückgelegt. Die Gemeinde nimmt an diesem Ereignis teil und wünscht ihm ein Lebensjahr innerer und äußerer Kraft.“

„Am 12. September 1930 darf Frau Tritschler ihren siebzigsten Geburtstag feiern. Die ganze Gemeinde Hugstetten feiert mit ihr, deren Platz im Gottesdienst selten leer ist.

Durch Renovierungsarbeiten am Schulsaal muß der Gottesdienst einige Zeit ausfallen. Doch bald heißt es Abschied nehmen, nicht nur vom Seelsorger, sondern auch von der Lutherpfarrei.

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Die Breisacher Zeit